Not macht erfinderisch

Was sehen Sie?

Ein Pult. Ein Rednerpult. Ein Rednerpult mit Kreuz. 

 

Es steht in einer kleinen alten Trauerhalle, die nicht unbedingt ansprechend ist, aber zweckmäßig. Immerhin haben die Trauergäste, zumindest die Familie und engsten Angehörigen einen Platz im Trockenen. Die spärliche Ausstattung ist wohl der Zeit ihrer Entstehung geschuldet.

Nun kann man sich die Frage stellen warum ich genau dieses Pult hier zeige.

Ganz einfach.

Das Kreuz wurde irgendwann, als Verschönerungsmaßnahme vermutlich, mit Gewebeband in zwei Lagen aufgeklebt. Man könnte nun amüsiert darüber sein, wenn das Pult nicht ausgerechnet an einem Ort steht, in dem solch eine (sicherlich gut gemeinte) Kreativität dann doch eher fehl am Platz erscheint. Immerhin handelt es sich hier nicht um eine Kulisse oder ein Filmrequisit, das auf die Ferne seinen Zweck erfüllt, aus der Nähe aber nicht gut aussehen muß.

Auf kurzen Abstand betrachtet, und hier ist es gerade einmal ein halber Meter zum ersten Stuhl der einen Seite und vielleicht zwei Meter zum Stuhl der anderen Seite, schaut man auf ein Kreuz das irritiert. Und als Trauergäste schaut man in der Zeit bis zum Beginn der Trauerfeier auf Vieles, da fällt jeder Schmutz, jede Spinne, jede nicht ganz strahlende Blume eines Gesteckes auf.

Also ich fand es nicht gerade amüsant, als ich das erste Mal um dieses Pult herum ging und das aus der Nähe doch sehr verunglückte Kreuz sah.

Schief mit ungleichen Seiten, kein Kunstwerk, dann könnte man es ja vielleicht noch verstehen, sondern eben einfach schwarzes Gewebeband. Ein Kreuz das mir irgendwie sagte "reicht doch", "kommt doch eh nicht mehr drauf an", "Hauptsache ein Symbol der Religiösität".

 

Dann lieber ohne, war mein Gedanke, denn irgendwie fand ich es ein wenig pietätlos. Und jedes Mal wenn ich in dieser Halle zu tun habe, denke ich, daß die Gemeinde vielleicht nach so vielen Jahrzehnten einmal in ein neues Pult, oder zumindest eine neue Frontfläche und ein paar neue Stühle für die Halle investieren könnte.